Oybin-Schreibwerkstatt Martina Rellin

Schreibwerkstatt Martina Rellin

Schreibwerkstatt Martina Rellin

Martina Rellins Schreibwerkstatt lockt uns in das Zittauer Gebirge – Samstag, 29. Juli 2023 

Der Kalender zeigt den 29. Juli 2023. Auf diesen Samstag freue ich mich schon ein halbes Jahr. Ich starte in die Sommerschreibwoche in der Werkstatt von Martina Rellin, der Bestseller-Autorin in Oybin am Dammweg drei. Schon von weitem sehe ich das urige, für die Region typische Umgebindehaus mit der bunten Schmetterlingswiese am Hang davor. Martina fällt mir um den Hals und ich freue mich einfach. Die meisten aus unserer Gruppe kennen sich schon vom Schreiben aus den Jahren zuvor. Es ist ein bisschen wie Klassentreffen. Jeder hat eine Überraschung im Gepäck. Die weiß gedeckte Kaffeetafel und die Klappstühle mit ihren roten Kissen darauf lassen sofort das Gefühl des Nachhausekommens entstehen. Der leckere Obstkuchen aus dem nahen Naturkostladen verhindert jeden Diätversuch. Wir plaudern, bis uns der erste heftige Regenschauer in die Blockstube treibt. Zeit für eine Bestandsaufnahme! Was haben wir an Texten mitgebracht? Was wollen wir schreiben und welche Projekte mit in den ausgehenden Sommer nehmen?

Martin, die gute Seele des Hauses bereitet derweil das Grillen vor. Schade, dass ich mir sein Rezept für den leckeren Spitzkohl-Möhren-Joghurt-Salat nicht aufgeschrieben habe. Grillmeister dürfen nicht aus Zuckerwatte sein, dann wären sie heute aufgelöst den Bach hinuntergespült worden. Martin ist regenerprobt, steht tapfer unter dem großen, wasserdichten Schirm und bekommt trotzdem genug Nässe ab. Seiner guten Laune tut das keinen Abbruch und wir lassen uns die Bratwürste schmecken. Pünktlich nach dem Abendbrot reißt die Wolkendecke auf und verbreitet abendliche Kühle. Doch die Schreiberlinge wollen morgen pünktlich an Bord sein, deswegen ab in die Unterkünfte.

 Vom Profi lernen, wir freuen uns darauf – Sonntag, 30. Juli 2023

Wir freuen uns alle auf den Fortgang der Geschichten und Roman-Ansätze aus dem vergangenen Jahr. Es gibt Neues zu berichten. Fertig gestellt und gedruckt sind Manjas Kochbuch „Duftet wie damals, schmeckt wie daheim“, Kathrins Mutmach-Roman für Frauen „Zwischen Aufstehen und Gehen“ und mein Buch aus dem Leben meiner Eltern „Vertrieben und dann?“. Ein fertiger Liebesroman, DDR-Geschichten, ein Ratgeber zum Aufräumen mit Missverständnissen zwischen Hund und Mensch und Nachdenkliches über eine stille Geburt aus dem Rellin-Verlag ergänzen das Portfolio der Hobbyautoren.

Dass sich immer noch oder wieder viele Menschen für das Vertriebenenschicksal der Ungarn-Deutschen oder Schlesier nach dem Zweiten Weltkrieg und damit für mein Werk „Vertrieben und dann?“ interessieren, bewegt mich sehr. Mein Buch hat den Landesverband der Vertriebenen und Spätaussiedler im Freistaat Sachsen erst vor wenigen Wochen dazu angeregt, mit meiner Mutter ein Interview über die Flucht und Vertreibung aus Ungarn und das Ankommen im neuen Deutschland zu führen. Elisabeth berichtet, wie sie die Situationen als Kind erlebte und ist stolz, dass ihre Worte im Transferraum Heimat des Industriemuseums in Knappenrode ausgestrahlt werden.

Wenn ich von Roman-Ansätze schreibe, ist das tiefgestapelt, denn drei  angefangene Arbeiten sind fast fertiggestellt und wir alle warten neugierig darauf, ein gedrucktes Exemplar in der Hand zu halten. Martina schafft es mit ihren Tipps immer wieder, unser Selbstbewusstsein zu stärken und uns zum Überarbeiten von Vorhandenem und Schreiben von neuen Texten zu animieren. Wir sind gespannt auf die nächsten Tage, doch erstmal geht’s in die Gastwirtschaft Nensch zum Abendbrot. Und natürlich müssen wir den Schirm gegen Wind und Regen stemmen, um nicht nass zu werden.

 

 

„Regen, Regen stört uns nicht …“ (Songtext von Hauff/Henkler) – Montag, 31.07.2023

Der Regen weitet sich im Laufe der Nacht zum Dauerregen aus. Dicke Regentropfen klatschen an das Hotelfenster und Blasen in den Pfützen verheißen nichts Gutes. Ich denke an Karl Valentin und seine Worte: „Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, dann regnet es trotzdem.“ Recht hat er!

Martina lässt sich immer etwas einfallen, damit keiner von uns das Wort mit dem Anfangsbuchstaben B … (Blockade) in den Mund nehmen muss. Schreib mal eine Geschichte, in der du als erwachsener Mensch unerwartet jemanden triffst, den du aus der Kindheit kennst und mit dem du noch eine Rechnung offen hast. Du hast dafür zehn Minuten Zeit. So könnte eine der Schreibaufgaben von Martina lauten und so könnte meine Geschichte anfangen: 

„Carola erstarrte. Sie schob ihre Brille höher. War das Karin? Die Karin aus der achten Klasse, die ihr den ersten Freund weggenommen hatte? Wie kam sie hier her? Karins Vater war EU-Abgeordneter und die Familie zog nach den Ferien mit ihren Eltern nach Brüssel. Und Peter? Den hat die überhebliche Karin einfach fallen lassen. Aber aus Carola hat er sich trotzdem nichts mehr gemacht. Die Frau im geblümten Sommerkleid drehte sich um und verlies die moderne Wassertretanlage. Der kleine Junge neben ihr zeterte. Carola standen jetzt die Schweißperlen auf der Stirn. Es war tatsächlich Karin, die auf sie zukam. Der quirlige Dreikäsehoch an ihrer Hand riss sich los und weinte. Karin stockte, blieb stehen. Schaute nach dem Kind, stolperte zwei Schritte nach vorn und blieb endgültig stehen. Hatte Karin sie auch erkannt?Carola erinnerte sich an ihren heftigen Streit. Danach war nichts mehr wie zuvor, …“. 

Natürlich ist die Geschichte noch nicht zu Ende und natürlich ist der Anfang nicht perfekt. Aber er zeigt, dass man auch in zehn Minuten ziemlich viele Gedanken zu Papier bringen kann.

Das Geheimrezept für Pelmenis bringt Manja mit. Wir dürfen ihr bei der Zubereitung und vor allem beim Essen helfen. Der Montagabend gehört dem gemeinsamen Kochen. Wer wissen möchte, wie Pelmenis entstehen und wie sie schmecken, meldet sich am besten in der Schreibwoche der Pelmenigruppe an. Das Ritual, das wir bereits mehrere Jahre zelebrieren, hat der Schreibgruppe den Namen gegeben. 

„Es gibt nichts Gutes. Außer man tut es.“ (Erich Kästner)Dienstag, 01.08.2023

Wie heißt es so schön? „Es gibt nichts Gutes. Außer man tut es.“ (Erich Kästner) Schnapp dir ein Sprichwort deiner Wahl und schreibe dazu eine Szene. Die Aufgabe hat was, Sprichwörter gibt es genug und einige Beispiele hat Martina dabei: Es ist nicht alles Gold, was glänzt; wer rastet, der rostet und der Fisch stinkt vom Kopf her. Ich beginne zu schreiben: 

„Ich lümmele im Garten auf der durchgesessenen Hollywoodschaukel, die längst einen neuen Bezug verdient hätte und schaue dem Roten Milan hinterher, der über dem in die Jahre gekommenen Haus kreist. Die Margeriten an der Hauswand zeigen erste vertrocknete Blüten und vom weitem höre ich die Erntefahrzeuge, die Tag und Nacht in Aktion sind. Der Wetterbericht hat ein breite Regenfront angekündigt. ‚Wenn der Wind über die Stoppeln weht, ist der Sommer vorbei‘, höre ich meine Großmutter sagen. Sie musste es wissen. Sie war Bäuerin, aber das war lang her.

Dann ist der Sommer vorbei, grübele ich. Aber der hat doch dieses Jahr noch gar nicht angefangen! Wenn der Sommer vorbei ist, muss ich mich entscheiden. Ich hoffe, wir haben ewig Sommer. …“

Eines hat mir Martina mit dieser Übung gelehrt. Auch wenn ich nicht viel Zeit habe, lohnt es sich anzufangen. Meist schaffe ich mehr, als ich erwarte.

… und abends haben wir Gäste zur Lesung in Martinas Blockstube Mittwoch, 02.08.2023 

Wir nutzen die wenigen Stunden zum Schreiben im Freien, bis uns Petrus mit neuen, ungestümen Regengüssen überrascht. Der heutige Regen kommt aus dem Nichts. Er platzt auf Schreibpapier und Brille, Stuhlkissen und Holztische, verwandelt unsere knusprigen Haferkekse in Babybrei und unterbricht meine Schreibübung zur Farbe ‚blau’:

„Was fasziniert dich so an Finnland, fragen mich meine Freunde. Sind es der erste Platz in der Pisa-Bildungsstudie, die Weltmeisterschaften im Handyweitwurf und Frauen-Tragen oder etwa der Alkohol, den die Finnen literweise trinken sollen?  Ich denke an unsere Winterreise nach Lappland und das Eis-Hotel Lainio. Ja, dort tranken wir tatsächlich Finnlandia-Wodka aus blauschimmernden Schnapsgläsern aus Eis. Und die blaue Lichtinstallation in der Hausbar lies die Stühle, Barhocker und Tische – aus purem Eis geformt – noch kälter wirken. Den Wodka gab es zum Anstoßen, weil Steffen Geburtstag feierte. Doch dass die Finnen immer blau sind, ist ein Klischee, das sich hartnäckig hält, obwohl es nicht stimmt.  … Das Gebell der Huskys verhallte zwischen den froststarren Birken und mahnte uns, den Rückweg durch die verharschte Schneelandschaft anzutreten. Meine blauen, fellgefütterten Fausthandschuhe lagen verloren auf dem Rentierfell im Schlitten, denn ich hielt den Fotoapparat in meinen klammen, inzwischen blaugefrorenen Fingern …“

Möchtet ihr gern mehr über mein Lieblingsurlaubsland Finnland und unsere Abenteuer sommers wie winters erfahren? Dann freut euch auf meinen Reisebericht, der mit vielen tollen Fotografien illustriert sein wird. Ich schreibe ganz fleißig daran, damit ihr ihn bald in den Händen halten könnt.

Regen hat auch was Gutes, nicht nur für die Schmetterlingswiese am Hang. Er bringt einen wunderbaren Regentext hervor, bei dem sich die Buchstaben auflösen, den Bach hinunterschwimmen und sich zu völlig neuen Worten zusammenfinden – sofort geeignet für die angekündigte Garten-Lesung am Abend. Aber halt, die übliche Strandkorblesung fällt buchstäblich ins Wasser. Es gießt, was der Himmel hergibt und so ziehen wir mit unseren Texten in die gemütliche Blockstube des denkmalgeschützten Umgebindehauses. Unsere Gäste hören gespannt zu, was wir in den Tagen zuvor fantasiert und geschrieben haben. Der lustigste, durchaus lesenswerte Text kam zustande, indem einer mit zwei Sätzen eine Geschichte begann und alle anderen jeweils ein oder zwei Sätze hinzufügten und so ein komplettes Werk entstand. Schade, dass ich keinen dieser Texte mitgenommen habe.

Vom Winde verwehtDonnerstag, 03.08.2023

Das Wetter soll super werden, früh ist davon noch nicht viel zu merken. Aber für unser Schreiben spielt das auch keine Rolle, denn für die regennassen Schreibstunden haben wir die Blockstube mit dem fantastischen Blick durch das geschlossene Doppelfenster auf den Oybin, der sich majestätisch über den Ort erhebt, dessen Namensgeber er ist. Die Blockstube des Umgebindehauses müssen wir heute nicht bemühen, denn die Sonne lacht uns ins Gesicht. Unser Papier müssen wir dennoch festhalten, denn der Wind schickt uns sturmartige Böen und unsere Texte flattern durch die Luft. Macht nichts, wir genießen den Sonnenschein und machen es uns unter den altehrwürdigen Apfelbaum bequem. Das Rascheln der Blätter versetzt uns in Urlaubslaune und der wunderbare Blick auf den Oybin tut das Übrige.

Erstaunlich, wie sich die Bäume in den schmalen Felsspalten festkrallen und von der wenigen Nahrung zwischen den Sandsteingebilden leben können. Eine vertrocknete Fichte hängt quer zum Hang und hält tapfer dem Sturm stand, zu den sich das anfängliche Lüftchen ausgeweitet hat. Am Geländer des Rundweges halten sich Touristen fest und schauen ins Tal. Klein wie Figuren aus der Puppenstube sehen sie aus. Ob sie mich in Martinas Gartenparadies sitzen sehen können? Wahrscheinlich nicht. Und ganz sicher werden sie nicht erkennen, wie sehnsuchtsvoll ich zu ihnen aufschaue und von Urlaub träume.

Aber stopp! Was hat Martina gerade gesagt? Wir sollen einen Text in Vulgärsprache schreiben … Das ist ein Mist, so eine Scheiße. Welcher Blödmann hat sich das denn ausgedacht. Das bringe ich doch gar nicht.

Lasst uns lesen, es ist so viel Neues entstanden – Freitag, 04.08.2023

Ich zwinkere. Über mir blauer Himmel, einzelne Schäfchenwolken ziehen an der noch im Schatten liegenden Burgruine vorbei. Schließe wieder die Augen. Von weit her höre ich die Glocken der Gebirgskirche am Aufstieg zum Berg schlagen. Es muss acht Uhr morgens sein. Wie Perlen schillern die Tropfen auf meiner sonnengebräunten Haut. Ich stütze mich kurz auf meine Ellenbogen, sinke aber sofort wieder zurück auf das kornblumenblaue Handtuch. Ich spüre, wie mich erste Sonnenstrahlen kitzeln und ein wohliges Gefühl zurücklassen. Das von einem Gebirgsbach gespeiste Wasser in der Naturbadestelle ist eiskalt, trotzdem ist der Badeteich bei Touristen und Einheimischen gleichermaßen beliebt. Nur frühmorgens nicht. Da bin ich alleine. Ein Wummern stört meine himmlische Ruhe. Straßenbauarbeiten mitten in der Urlaubszeit schon am Morgen verärgert alle Langschläfer. Bloß gut, dass mein Quartier weit genug weg ist. Meine Haut trocknet in der Sonne. Schnell ziehe ich Hose und T-Shirt über. Ich freue mich auf die Schreibwerkstatt und habe mal etwas anderes geschrieben als Reiseberichte:

Die Küche. Dezember 1990. Als wir anfingen, das Haus zu bauen, lebten wir im tiefsten Sozialismus, doch im Einzugsjahr überschlugen sich die Ereignisse, die wir heute ‚Wende‘ nennen. Unsere wenigen Möbel nahmen wir selbstverständlich mit, doch die Einbauküche blieb in der Neubauwohnung des Bautzener Gesundbrunnens. Im Juli tauschten wir unsere DDR-Mark in Westgeld und die renommierten Versandhäuser bedienten den kaufhungrigen Ostmarkt mit dicken, bunten Katalogen auf Hochglanzpapier. Ich sah Küchenzeilen in allen Variationen mit Holzdekor und ohne, in weiß und rot, mit und ohne Streifen und selbstverständlich mit allen Elektrogeräten inklusive. Zwei Dörfer weiter hatte ein Küchenstudio im Saal einer Gaststätte sein Domizil aufgeschlagen. Der gelernte DDR-Bürger vertraute dem Westen und dachte „Heute bestellen – morgen liefern“ sei nicht nur ein Werbeslogan. Die neue Küche lies vier Monate und sieben Tage auf sich warten. Ich weiß es heute noch so genau, weil wir improvisierten wie zu Großmutters Zeiten. Helenes altes Küchenbuffet stand in der alten Scheune auf dem Grundstück meiner Schwiegereltern und musste als Ersatzküche herhalten. Wir polierten die gesprungenen Butzenscheiben so gut es ging, bevor wir das Erbstück in unserer jungfräulichen Küche platzierten. 

Das nostalgische Highlight war jedoch der Aufwaschtisch. An seinen verblichenen Beinen bröckelte der Lack ab und die buntgeblümte Wachstuchtischdecke war mit Reißzwecken an der Tischplatte befestigt. Wenn ich das Untergestell nach vorn herauszog, gab die Tischplatte den Blick auf zwei angeschlagene Emailleschüsseln frei. Eine davon hob ich aus dem Gestell und lief mir ihr zum Waschbecken in das Bad. In der Küche zurück setzte ich die mit warmen Wasser gefüllte, schwere Schüssel in die dafür vorgesehene Aussparung zurück und verschwappte das Wasser auf den Fußboden. Nach dem Aufwaschen ging es retour. Schüssel rausgehoben und das schmutzige Spülwasser zurück ins Waschbecken. Selbst nach dem Einweihen unserer neuen Küchenmöbel ist es mir noch oft passiert, dass ich zum Abspülen einer Tasse ins Bad geflitzt bin.

Manchmal habe ich an Helene gedacht. Sie besaß kein Bad, denn sie hatte nicht mal Wasser im Haus. Das holte sie mit einem Eimer aus dem Brunnen im Hof. Und meine Enkelkinderfragen mich heute: ‚Oma was ist eigentlich ein Aufwaschtisch?‘“

Martina dachte sich für uns natürlich auch eine kleine Übungsaufgabe aus und erwischte uns auf dem richtigen Fuß. Was ist der Unterschied zwischen den Worten allein und alleine und wann verwenden wir welches?

  • Kevin allein zu Haus.
  • Alleine, dass er mir zuhörte, tat mir gut.
  • Verloren und allein stand sie am Bahnsteig.
  • Ich bin alleine, endlich!

Was ist richtig? Findet es selber raus! Oder heißt es, findet es selbst heraus? Und schon haben wir die nächste Übung!

Träume sind zum Jagen da!Samstag, 05.08.2023

Ich habe nicht genug über das Schreiben in Martinas Werkstatt berichtet? Das macht nichts! Kommt zu Martina Rellin in ihren Schreibgarten nach Oybin. Da lernt man, wie man einen verdammt guten Roman schreibt, oder eine Autobiografie oder eine Kurzgeschichte oder, oder, oder …

Auf jeden Fall habt ihr ganz viel Spaß beim Verfassen und Vorlesen von Inhalten, beim gemeinsamen Abendessen, dem Besuch der Naturbadestelle, dem Spaziergang auf den Oybin oder Töpfer und was ihr sonst noch wollt. Es muss etwas dran sein an diesen Versprechungen, denn sonst kämen nicht so viele Schreiber und Schreiberinnen wieder. Ich bin das vierte Mal zur Schreibwoche im Zittauer Gebirge und sicher nicht das letzte Mal.

Buchmesse 2023

Sylvia Mönnich hat es getan! Ich habe mein erstes Buch „Vertrieben und dann?“ veröffentlicht – vorerst für Familie, Freunde und Bekannte, doch dabei muss es nicht bleiben. Ich habe tief in der Vergangenheit meiner Familie gestöbert. Meine Mutter ist Ungarn-Deutsche, mein Vater Schlesier. Beide wurden als Kinder in den Nachkriegsjahren des Zweiten Weltkrieges ihrer Heimat beraubt. Niemand möchte sich vorstellen, sein Hab und Gut in wenigen Stunden zusammenpacken und seinen Hof mit unbekanntem Ziel verlassen zu müssen. Doch so erging es ihnen.

„Huch ein Buch – der schöne Lesungs-Abend“

der Rellin Schreibwerkstatt in Leipzig anlässlich der Buchmesse und des Lesefestivals war ein voller Erfolg. Gerne habe ich hier mein Buch zum ersten Mal der Öffentlichkeit vorstellen dürfen.

Vertrieben und dann?

Mit den Erzählungen meiner Eltern, Originaldokumenten anderer Vertriebenen und Archivfotos möchte ich ihr Schicksal für die Nachwelt erhalten. Ich wünsche mir, dass die Geschichte meiner Familie und der vielen anderen, die dieses Schicksal teilten, nicht vergessen wird.

Wie Sylvia Mönnich zum Schreiben kam

Als ich auf der verwitterten Bank an der Berberitzenhecke in meinem Garten saß, wusste ich noch nichts von der Schreibwerkstatt der Bestsellerautorin Martina Rellin.  Doch wenn ich auf der Bank lümmelte, schwirrten mir schon immer verrückte Gedanken im Kopf herum.

Das Zittauer Gebirge

Einer davon war, wieder einmal die Stätten meiner Kindheit zu besuchen. Das Zittauer Gebirge gehörte dazu. Mit der neu gewonnenen Reisefreiheit in den 90-iger Jahren hatte sich unser Urlaubsradius enorm erweitert. Ich kenne Spitzbergen, Island oder die Färöer Inseln, habe die Route 66 befahren, im Dead Valley geschwitzt und die Grizzlys in Kanada beim Lachs fangen beobachtet. Aber im Zittauer Gebirge war ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr. Das wollte ich ändern.

Urlaubsfeeling

Ich weiß es noch genau. Es war ein Donnerstag im Juli 2020. Die hoch stehende Sonne signalisierte Urlaubsfeeling und das Thermometer kletterte auf 25 Grad. Den Berg Oybin kannte ich aus Kindheitstagen. Die turbulente Nachwendezeit hatte mich eher in skandinavische Regionen und in mystische Gebiete außerhalb von Deutschland gelockt.  Jetzt aber erschien mir das Zittauer Gebirge im Allgemeinen und der Oybin im Speziellen als das ultimative Ziel. Majestätisch thronte das Felsmassiv über dem Ort, dessen Namensgeber er war. Das stählerne Gipfelkreuz war neu. Erstaunlich, wie sich die hochgewachsenen Birken und Kiefern in den schmalen Felsspalten festkrallten und auf dem wenigen Boden Nahrung fanden. Ich nahm meinen in die Jahre gekommenen Rucksack auf den Rücken und marschierte los. Der Zufall wollte es, dass mich mein Weg vom spärlich besuchten Parkplatz inmitten des Ortes zum Aufstieg an der weithin bekannten Hochzeitskirche durch den Oybiner Kurpark und über den Dammweg führte. Zwei Urlauber standen an einem Gartenzaun und lasen das Schild: „Das ist eine Schmetterlingswiese“. Die Frau griff zum Prospekt in der kleinen Plastikbox am Eingangstor, legte es aber wieder hinein. Was wurde darauf angeboten?

Schreibwerkstatt der Bestsellerautorin Martina Rellin 

Ich wurde neugierig. Schreibkurse in der Schreibwerkstatt einer echten Schriftstellerin! Da musste ich hin, doch sofort meldeten sich erste Zweifel.  Bin ich denn dafür gut genug? Ich habe doch noch gar nichts geschrieben. Na gut, ein paar Gedichte vielleicht und einige spontane Geschichten, aber sonst nichts. Mit Herzklopfen rief ich bei ihr an. Das warmherzige Gespräch mit Martina Rellin zerstreute alle meine Bedenken. Nach unserer liebevollen und informativen Unterhaltung war mir klar, wenn man von etwas wahrhaft beseelt ist, sollte man nicht allzu lange überlegen. Noch im Juli habe ich mich für einen Tageskurs in der Schreibwerkstatt angemeldet.

Schnupperkurs in der Schreibwerkstatt

Martina empfing uns vor ihrem Umgebindehaus am Fuße des Oybins in ihrem naturbelassenen Garten. Die roten Klappstühle und Holztische luden uns zum Schreiben inmitten der Natur ein. Bienen summten in der knöchelhohen Kleewiese, das Rinnsal im Bach plätscherte leise vor sich hin und die Sonne meinte es gut mit uns. Ein wenig Schatten spendeten uns die ausladenden Äste des knorrigen Apfelbaumes. Der Kaffee dampfte verführerisch in der Kanne und die selbstgebackenen Kekse verlockten zum Naschen. Ideale Schreibatmosphäre, wir haben sie intensiv genutzt. Martina hielt sich nicht lange mit der Vorrede auf, wir arbeiteten sofort an unseren Schreibaufgaben, um das von ihr Gehörte in die Tat umzusetzen. Man glaubt es kaum, wieviel Zeilen man in einer Stunde schreiben kann und wie ein einziger Satz die Fantasie anregt, wenn man sich darauf einlässt. Unsere bunte Runde – wir waren vier Frauen und ein Mann aus den verschiedensten Lebensbereichen –  verstand sich sofort und konnte nicht glauben, wie schnell die Zeit verging.

Was soll ich euch sagen: Warum hieß der Kurs Schnupperkurs? Ich habe so viel Wissen mitgenommen und Spaß am Schreiben gefunden, dass es längst nicht nur ein Tag zum „Schnuppern“ war. Lasst euch von meinen Fotos in die Schreibwerkstatt von Martina Rellin entführen. Aber auch Oybin ist immer eine Reise wert, wie ihr auf meinen Fotografien sehen werdet.

 

Wochenkurs in der Schreibwerkstatt

Der Tageskurs inspirierte mich so, dass ich Martina nach einem freien Platz in ihren Wochenkursen fragte. Zu meinem Glück war die August-Schreibwerkstatt noch nicht gänzlich ausgebucht. Oybin verwöhnte uns in dieser Woche mit exorbitant schönem Wetter, so dass wir unseren Gedanken unter strahlend blauem Himmel freien Lauf lassen konnten. Gegen Mittag räumten wir die Klapptische freiwillig unter den altehrwürdigen Apfelbaum, um ein wenig Schatten zu erhaschen. Das laue Lüftchen spielte mit den tiefdunkelgrünen Blättern in der Baumkrone und im wunderschönen Garten lud der Strandkorb mit seine rot-weiß-gestreiften Kissen zum Träumen ein. Schade nur, dass wir die neu eingerichtete Blockstube des Umgebindehauses so wenig genutzt haben, weil uns das Kaiserwetter nach draußen gezogen hat..

Träume sind zum Jagen da!   (Verfasser unbekannt)

Ideale Atmosphäre zum Sammeln von Schreibideen. Diesmal hatte jede von uns ein Schreibprojekt im Kopf. Wir waren drei Mädels, die unterschiedlicher nicht sein konnten und so waren auch unsere Entwürfe. Mit meinen Finnlandfotos habe ich schon viele Betrachter gefesselt. Martina sollte mich lehren, die Geschichten hinter meinen Reisen so zu erzählen, dass die Leser das Buch nicht mehr aus der Hand legen wollen. Auch die beiden anderen Schreibfrauen hatten spannende Ideen. Die eine kannte das Leben im Osten wie im Westen Deutschlands aus eigener Erfahrung, die andere bereiste die Welt, hat aber in Bayern ihr Lebenswerk verwirklicht. Beide haben so spannend erzählt, dass ich schon jetzt ein Buch darüber in der Hand halten möchte.

Was habe ich noch mit genommen?

Auf meinen Fotos seht ihr, dass wir nicht nur zusammen geschrieben haben. Wir haben dem Sonnenuntergang zugeschaut, gemeinsam im Iglu am Hain gegrillt, den Naturbadeteich in Oybin getestet, waren in aller Herrgottsfrühe baden und haben am letzten Abend mit Auszügen aus den entstandenen Werken ein kleines Publikum verzaubert. Eine rundum gelungene Woche.

Liebe Martina, ich möchte dir danken dafür, dass

  • du nach Worten, Überschriften und Aphorismen für unsere literarischen Versuche ringst, als schreibest du für dich
  • du abends, wenn wir längst auseinander gegangen sind, noch nachdenkst, was wir verbessern können
  • du für uns im Internet stöberst, wenn wir schon längst keine Lust mehr dazu haben
  • du Kartoffelsalat und Würstchen organisierst, damit wir zusammen grillen können
  • dir ein Spaziergang bei sengender Hitze zur Naturbadestelle wichtiger ist, als stures Abarbeiten eines Programmes
  • du dir immer Zeit für jeden nimmst, egal woran er gerade arbeitet
  • du uns mit Engelszungen Mut einredest, damit wir uns zur Lesung getrauen, unsere Texte vorzutragen

Das Schreiben wird mich bestimmt auch in meinen zukünftigen Jahren begleiten: für mich, für alle Finnlandfreunde, für meine Familie, Freunde und Bekannten. Auch wenn daraus keine Bestseller wird, habe ich eine ganz neue Beschäftigung gefunden.

Schreibwerkstatt auf Schloss Gattersburg in Grimma

Nicht nur, weil ich mit einem Koffer voll Wissen nach Hause gefahren bin, sondern weil mir die inspirierende Atmosphäre in den Kursen von Martina Rellin so viel gegeben hat, habe ich mich zur dritten Schreibwerkstatt in diesem Jahr angemeldet. Das verwunschene Schloss Gattersburg in Grimma thront hoch über der gemächlich dahin fließenden Mulde und hat sicher schon bessere Zeiten erlebt. Es gehörte nun für vier Tage uns. Eine heimeligere Schreibumgebung hätten wir uns nicht wünschen können. Der goldene Herbst färbte die Blätter der hohen Ahornbäume im Muldental bunt und aus meinem Zimmer im Dachgeschoss konnte ich Familien mit ihren Kindern beobachten, die sich im Blätterwald tummelten. Die urige Gaststube mit den holzgetäfelten Wänden und den in die Jahre gekommenen Parkettboden lies uns ausreichend Zeit zum Träumen. Jeder konnte seinen Ideen nachhängen und Dinge zu Papier bringen, über die er zu Hause nicht mal nachgedacht hätte.

Anleitung zum Handeln

Was haben wir geschrieben, gelesen und zelebriert? Mini-Romane, Krimigeschichten, moderne Märchen, Alltagserlebnisse, Vergangenes und Zukünftiges, Wahres und Erdachtes. Wem sind die Worte „Ich könnte ein Buch schreiben.“ nicht schon über die Lippen gekommen? – „Dann mach!“ war Martinas Antwort in einem Miniworkshop zum Thema Schreiben am Abend in der „Alten Rösterei“ in Grimma. Dass es geht, hat Johannes Heine, Dachdeckermeister aus Grimma mit seinem Mutmach-Tagebuch „Ein Mann steigt seinem Krebs aufs Dach“ bewiesen.

Kann man auch schreiben, wenn man wenig Zeit hat? Na klar, sagte Martina und hat es uns demonstriert. Das wunderbare Herbstwetter lockte uns an den kleinen Grimmaer Hafen zu einer Bootstour bis Höfgen. Eine halbe Stunde mit Stift und Zettel an Bord brachte erstaunliche Ergebnisse. Nicht nur, dass man eine ganze Seite voll schreiben kann, es kommen einem dabei sogar ganz besondere Ideen. Wir haben Rotkäppchen und Frau Holle das Schloss Gattersburg besuchen lassen, einen Enkel seinen Opa fragen lassen: „Fahren wir mal nirgendwo hin?“ und einen Supermarkt morgens gegen 11.00 Uhr beobachtet. Am Abend hat unsere Krimiautorin ihre Gedanken spielen lassen und wir haben kräftig am Spannungsbogen mitgebastelt.

Vier Tage mit Gleichgesinnten und dem gemeinsamen Hobby. Der Abschied fiel uns schwer und wir waren uns einig. Im Jahr 2021 zur gleichen Zeit am gleichen Ort sind wir alle wieder mit von der Partie.

Ines Schindler  – betreibt in Hessisch-Lichtenau ein besonderes Café, in dem sie ihre Gäste genussvoll mit viel Kultur, Musik, Literatur & Tanz bewirtet. Unsere Oktobertage hat sie für uns in einem treffenden Gedicht zusammengefasst:

Traumzeit

Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so glücklich bin;

drei Tage in Oktoberzeiten, gaben mir tiefen Sinn.

Mal etwas für mich zu schreiben, ich hoffte, dass wäre ganz gut.

Jetzt fahr ich nach Hessen und spüre, ich habe ganz großen Mut.

Martina mit all ihrem Wissen, es sprudelt nur so heraus.

Sechs Menschen staunen und wissen: Sprache ist ein Fest in Saus und Braus.

Uta schreibt Krimis und hat schon ein Buch und ich fühle tatsächlich, wie gut ihr das tut.

Andreas beschreibt Öpchen und Enkel sowas von fein, man möchte bei ihm ja selbst Enkel mal sein.

Claudius leise, verschmitzt, mit Humor, was für Sätze, Worte, Wortspiele kommen aus ihm nur hervor.

Ungarn-Deutsche Geschichte der Mutti aufs Papier zu bringen, wird Sylvia, so wie sie davon erzählte, ganz sicher gelingen.

Und Nadjas Figuren, die kann ich sowas von Sehen, die Leiche, den Andre – ich hör sie verstehen.

Drei Tage mit Euch waren unsagbar schön.

Ich würde mich sehr freuen, jeden Einzelnen oder zusammen irgendwo, irgendwann bald wieder zu sehen.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Scroll to Top