Die Leipziger Buchmesse 2023 und ihr Lesefestival „Leipzig liest!“
Sie ist wieder da! Die Leipziger Buchmesse wurde von den Besucherinnen und Besuchern aus ganz Deutschland angenommen, als wäre sie nicht drei Jahre weg gewesen. Endlich wieder an Messeständen Neuheiten in die Hand nehmen, in Büchern blättern, Lesungen zuhören oder sich einfach von Event zu Event treiben zu lassen.
Zu Recht wird die Leipziger Buchmesse als das wichtigste Buch- und Medientreffen in der ersten Hälfte des Jahres gehandelt. An der Autobahnabfahrt zum Messegelände an der A14 bildeten sich sowohl Freitag als auch Samstag lange Schlangen und die Parkplätze wurden trotz vieler Helfer vor Ort zur Mangelware. Wer mit den Öffentlichen anreisen wollte, war nicht besser dran. Der Hauptbahnhof und die Straßenbahnen waren überfüllt und die Wartenden mussten Geduld aufbringen. Doch das hat keinen davon abgeschreckt, das Frühjahrs-Highlight auf der Neuen Messe zu besuchen. Das geschriebene Buch ist nicht tot. Ein grandioser Erfolg!
Ich kann es immer noch nicht fassen, dass ich in diesem Getümmel mit meinem Buch „Vertrieben und dann?“ am Stand der Schreibwerkstatt Rellin und bei „Leipzig liest“ mitmischen durfte. Im Cafe Yellow in der Südvorstadt drängelten die Zuhörer zur Lesung, später musste die Veranstalterin Martina Rellin, Verlegerin und Coach der gleichnamigen Schreibwerkstatt, noch Stühle für die Gäste dazu holen.
In „Amors Kirschkern“ lässt Brigitte Luber auf humoristische Weise ihre Protagonistin Ricarda sich in den Schauspieler Sean verlieben. In Carola Kalks „Kein Licht der Welt“ verlieren Conny und Michael ihr ungeborenes Kind und Hannes Heine trägt Lustiges und Ernstes aus der Vergangenheit des Ostens vor.
Und ich mittendrin mit meiner Geschichte aus dem Leben meiner Eltern „Vertrieben und dann“. Wenn ich ursprünglich dachte, das Leben und Wirken der Vertriebenen vor und nach dem Zweiten Weltkrieg interessiert nur Familie und Verwandte, so wurde ich eines Besseren belehrt. Die ungarn-deutsche Großfamilie meiner Mutti wurde 1945 enteignet und 1947 aus Ungarn vertrieben. Mein Vater erlebte es nicht anders in Schlesien. Vielleicht ist es gerade der anschauliche Erlebnisbericht von zwei noch lebenden Vertriebenenkindern, die heute weit in den Achtzigern sind, der die Menschen zum Nachdenken bringt und damalige mit aktuellen Geschehnissen vergleichen lässt. Zurück in der beschaulichen Umgebung der Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft im Landkreis Bautzen freue ich mich noch immer, dass dieser Teil deutscher Geschichte auf wissbegierige Menschen aller Altersschichten trifft.
(Sylvia Mönnich – Auszug aus ihrem Buch „Vertrieben und dann?“)
Vertreibung der Ungarn-Deutschen aus ihrer Heimat
Stiefel traten gegen die geschlossene Eingangstür, danach unverständliches Gebrüll. „Raustreten! Sachen nehmen! Das, was ihr tragen könnt!“, schrie die Stimme in barschem Ton. „Ihr habt zwei Stunden Zeit!“
Entsetzen!
Es war der 25. August 1947. Elisabeth erinnert sich daran, als wäre es gestern gewesen. Nie wieder hatte sie so viel Angst, wie damals als Kind, auch wenn seitdem über sieben Jahrzehnte vergangen waren.
Elisabeth Schmidt, Lieschen oder Liesbeth genannt, erinnert sich an eine sonnige Kindheit. Bis zum Kriegsende im Jahre 1945 wuselte die Achtjährige unbeschwert zwischen den Beinen ihrer Mutter, noch viel lieber ihrer Großmutter herum. Der Bauernhof, auf dem sie aufwuchs, war ihr Paradies. Stundenlang schaute sie den Hühnern zu, wie sie die dicken, großen Maiskörner pickten. Sie drückte ihre Puppe an sich, die ihr Patenonkel Janós geschenkt hatte. Der Kopf war mit Lappen umwickelt und mit Stroh ausgestopft, den Puppenkörper hatte ihre Tante aus eingefärbter Wolle gehäkelt und ihr große schwarze Augen aufgestickt. Es war Lieschens erste Puppe und sie liebte sie abgöttisch. Ihr sieben Jahre älterer Bruder Friedrich half schon tüchtig in der Bauernwirtschaft, er hätte sie eines Tages übernehmen sollen. Es kam anders.
Vertrieben
Wie fühlt es sich an, innerhalb von wenigen Stunden sein Hab und Gut zusammenpacken und seinen Hof und seine Heimat verlassen zu müssen?
Über das Leben ihrer Eltern und das Schicksal als Vertriebene aus Ungarn und Schlesien nach dem zweiten Weltkrieg schreibt Sylvia Mönnich in ihrem Buch „Vertrieben und dann?“
Für meine Familie, unsere Verwandten, Freunde und alle, die sich für das Leben und Schicksal der Ungarn-Deutschen und Schlesier nach dem zweiten Weltkrieg interessieren.
Ein paar Gedanken vorweg
Niemand von uns möchte sich vorstellen, dass ihm sein Zuhause von einer Stunde auf die andere nicht mehr gehört.
Vielen Ungarn-Deutschen und Schlesiern ging es nach dem zweiten Weltkrieg so. Das Potsdamer Abkommen gab den Siegermächten das Recht, die seit dem 18. Jahrhundert in Ungarn oder Schlesien ansässigen Deutschen aus ihren Bauernwirtschaften zu vertreiben und in die Grenzen des neuen Deutschlands zu verweisen.
Ob damals einer ahnte, dass es für immer sein sollte? Wahrscheinlich nicht. Auch die kleine Elisabeth, ihre Eltern und Großeltern aus dem ungarn-deutschen Dorf Felsönána sechzig Kilometer südlich des Balatons stammend, waren von diesem Schicksal betroffen.
Der fünfzehnjährige Herbert, ihr späterer Ehemann, wurde mit seiner Familie aus Gaablau in Niederschlesien, dem heutigen Jabłów aus dem Powiat Wałbrzyski in Polen vertrieben. In der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und späteren Deutschen Demokratischen Republik (DDR) wurden sowohl die Ungarn-Deutschen als auch die Schlesier Umsiedler genannt. Doch das stimmt nicht. Wenn überhaupt, dann waren sie zwangsumgesiedelt. Tatsächlich waren sie Heimatvertriebene. Erst viele Jahre später haben sie davon erzählt. Ich gehöre zur Generation der Babyboomer und wünsche mir, dass die Geschichte meiner Familie und der vielen anderen, die dieses Schicksal teilten, nicht vergessen wird. Deshalb habe ich ihre Worte für uns und die Nachwelt, wie sie meine Mutti und mein Vati erzählten, zu Papier gebracht.